Der BGH hat mit Urteil vom 11.02.2015 (XII ZR 181/14) die Auswirkungen der Regelungen des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes auf die unterhaltsrechtlichen Regelungen des BGB herausgearbeitet und die Verknüpfungen beider Gesetzestexte miteinander dargestellt.

 

Dem Urteil des BGH lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

 

Die Antragstellerin ist Mutter eines minderjährigen Kindes aus erster Ehe, welches beim Vater lebt. Diesem minderjährigen Kind ist die Antragstellerin barunterhaltspflichtig. Aus einer neuen Beziehung mit einem neuen Lebensgefährten ist ein weiteres Kind hervorgegangen. Da der Lebensgefährte der Antragstellerin einen festen Kundenstamm zu betreuen hat und sein Einkommen großteils Provisionsgebunden ist, während die Antragstellerin im Innendienst zu einem Festgehalt arbeitet, haben die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte die Entscheidung getroffen, dass die Antragstellerin die ersten zwei Jahre die Betreuung des Kindes übernimmt. Des Weiteren entschied sich die Antragstellerin dafür, das Elterngeld nicht nur für die Dauer eines Jahres zu beziehen, sondern auf die Dauer von zwei Jahren zu strecken, womit ihr faktisch nur noch das halbe Elterngeld monatlich ausgezahlt wird. Hierdurch hat sich das Einkommen der Antragstellerin so sehr verringert, dass diese beantragt hat, zu keinerlei Unterhaltszahlungen mehr gegenüber dem minderjährigen Kind aus erster Ehe verpflichtet zu sein.

 

Der BGH hat entschieden, dass einem zum Minderjährigenunterhalt verpflichteten Elternteil, der sich nach der Geburt eines weiteren Kindes dessen Betreuung widmet, im Falle einer zu respektierenden Rollenwahl, jedenfalls für die ersten beiden Lebensjahre des von ihm betreuten Kindes unterhaltsrechtlich nicht vorgeworfen werden kann, dass er von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Bezugsdauer des Elterngeldes zu verdoppeln.

 

Zum besseren Verstehen der Problematik ist vorab voranzustellen, dass Eltern minderjähriger Kinder gesteigert unterhaltspflichtig sind. Ihnen obliegt es, alles Zumutbare zu tun, um den Unterhalt des minderjährigen Kindes sicherzustellen.

 

Entsprechend führt auch der BGH in seinem Urteil vom 11.02.2015 aus, dass die Übernahme der Kinderbetreuung und die sich daraus ergebende Minderung der eigenen Erwerbseinkünfte unterhaltrechtlich nur dann akzeptiert werden können, wenn wirtschaftliche Gesichtspunkte oder sonstige Gründe von gleichem Gewicht, die einen erkennbaren Vorteil für die neue Familie mit sich bringen, im Einzelfall die Rollenwahl rechtfertigen. Es wird mit diesem Urteil klargestellt, dass die Kinder aus einer früheren Verbindung eine Einbuße ihrer Unterhaltsansprüche nur dann hinnehmen müssen, wenn das Interesse des Unterhaltspflichtigen und seiner neuen Familie an der Aufgabenverteilung das Interesse an der Beibehaltung der bisherigen Unterhaltssicherung deutlich überwiegt. Im vorliegenden Fall hat der BGH dies bejaht. Er hat es als vertretbares und nachvollziehbares wirtschaftliches Interesse bestätigt, dass nicht die Antragstellerin, sondern ihr Lebensgefährte weiterhin arbeitet, da dessen Einkommen einen hohen Provisionsanteil enthalte und ein Verlust des Kundenstammes drohe.

 

Auch erachtet der BGH die Entscheidung der Antragstellerin, dass Elterngeld für die Dauer von zwei Jahren zu beziehen und damit faktisch für die Dauer jeden Monates nur den halben Betrag zu erhalten, als keinen Verstoß gegen die Unterhaltspflicht. So ist es ständige Rechtsprechung des BGH, dass der Unterhaltspflichtige während des Bezuges von Elterngeld während der ersten zwei Jahre seit der Geburt des Kindes nicht verpflichtet ist, neben der Betreuung des Kleinkindes aus der neuen Ehe eine Nebenerwerbstätigkeit auszuüben. Vielmehr ist es so, dass für die Zeit des Bezuges das Elterngeld im Interesse der Betreuung des neugeborenen Kindes die sonst ggf. bestehende Erwerbsmöglichkeit und Erwerbspflicht des barunterhaltspflichtigen Ehegatten ersetzt. Ist der Bezieher des Elterngeldes jedenfalls für die ersten zwei Lebensjahres des von ihm betreuten weiteren Kindes nicht zu einer Nebentätigkeit verpflichtet, so sieht es der BGH es nicht vertretbar an, wenn ihm eine Verletzung der Unterhaltspflicht vorgeworfen wird, nur weil er sich dafür entscheidet, das Elterngeld ebenfalls für die Dauer von zwei Jahren zu beziehen. Da in der o.g. Konstellation dem barunterhaltspflichtigen Elternteil keine Obliegenheitsverletzung vorzuwerfen ist, hat er folglich nur für den Unterhalt aufzukommen, soweit sein tatsächliches Einkommen den notwendigen Selbstbehalt übersteigt. Im vorliegenden Fall hat dies dazu geführt, dass eine Unterhaltspflicht der Antragstellerin verneint worden ist, da bei Beziehung des halben Elterngeldes ihr Einkommen unterhalb des Selbstbehaltes lag.

 

Praxistipp:
In der Praxis sind zwei Umstände zu berücksichtigen:

Die vorliegende Entscheidung greift nur dann, wenn zum einen wirtschaftlich berechtigte Interessen es rechtfertigen, dass der einem minderjährigen Kind Barunterhaltspflichtige, aufgrund einer neuen Beziehung, das in einer neuen Beziehung geborene Kind betreut und hierfür seine Erwerbstätigkeit zurückstellt.

 

Nur wenn dass der Fall ist, kommt man in der zweiten Stufe dazu, dass es dem betreuendem Elternteil freisteht, das Elterngeld für nur ein Jahr, oder aber für die Dauer von zwei Jahren zu beziehen. Entscheidet sich der Unterhaltpflichtige dazu, dass Kind zwei Jahre zu betreuen und den Bezug des Elterngeldes auf zwei Jahre zu strecken, ist ihm keine Verletzung der Unterhaltspflicht vorzuwerfen.

Source: Archiv Przytulla