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Am 18.11.2014 hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt eine neue Entscheidung zum Zeugnisrecht erlassen.

Zeugnisse sind für jede Form der Bewerbung und des unternehmensinternen Aufstieges von erheblicher Bedeutung. Bisher hatte sich ein gewisses „Notensystem“ eingebürgert, bei dem die Schlussbewertung mit dem Begriff „zur vollen Zufriedenheit“ in etwa – je nach Begleitbemerkungen – der schulischen Note „befriedigend“ entsprach. Weiter galt, dass – unter Berücksichtigung von Besonderheiten des Falles oder der Branche – die Bezeichnung „stets zur vollen Zufriedenheit“ ein Gut ausdrückte und die Formulierung „stets zur vollsten Zufriedenheit“ eine „sehr gute“ Leistung charakterisierte.

Eine Zahnarzthelferin, die am Empfang tätig war und auch weitere organisatorische Aufgaben übernommen hatte, klagte gegen das ihr nach Beendigung des einjährig anhaltenden Arbeitsverhältnisses ausgestellte Zeugnis mit der Bewertung „zur vollen Zufriedenheit“. Die Klägerin wünschte die bessere Benotung mit „stets zur vollen Zufriedenheit“. Hierbei hatte die Klägerin in den beiden Vorinstanzen mit der Begründung obsiegt, die Arbeitgeberin habe nicht dargelegt, dass die von der Arbeitnehmerin beanspruchte Beurteilung nicht zuträfe.
Dabei hatte sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg auf eine von der Klägerin vorgelegten Studie mit einer durchschnittlichen Ermittlung der von Arbeitgebern erteilten Zeugnisnoten gestützt und hierzu angeführt, ca. 90 % derartiger Noten würden eine Bewertung mit „gut“ oder „sehr gut“ aufweisen. Das Bundesarbeitsgericht hat den Gedanken des LAG Berlin-Brandenburg verworfen, dass dies seinen Niederschlag auch in der Notenerteilung finden müsse. Nach seiner bisherigen Rechtsprechung, die insoweit noch einmal bekräftigt wurde, kommt es nicht auf die in einem Betrieb am häufigsten vergebene Note oder einen Bundesdurchschnitt an. Der Arbeitgeber müsse regelmäßig die durchschnittliche Note „befriedigend“ als mittlere Note der Zufriedenheitsskala vergeben. Verlange der Arbeitnehmer eine bessere Benotung, müsse er dies darlegen und beweisen. Will der Arbeitgeber eine schlechtere Note zugrunde legen, muss er dies beweisen.
Hinsichtlich der erwähnten Studie könne eben auch nicht ausgeschlossen werden, dass Gefälligkeitszeugnisse in die Untersuchung Eingang gefunden hätten, die dem Wahrheitsgebot des Zeugnisrechts nicht entsprächen. Wichtig ist dieser Zusatz des Bundesarbeitsgerichtes zum Wahrheitsgebot. Demgemäß ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ein Gefälligkeitszeugnis zu erteilen. Das Bundesarbeitsgericht formuliert in dem Sinne, dass ein Zeugnis auch nur „im Rahmen der Wahrheit wohlwollend“ sein müsse.

 

Praxistipp:

 

Diese Entscheidung blockiert etwas den Trend zu übertrieben guten Noten, den man inzwischen – in Endzeugnissen – feststellt.
In der Praxis ist natürlich die Beweissituation für den Arbeitnehmer recht schwierig. Er sieht sich dann in der Verlegenheit, dass gegebenenfalls frühere Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen, die noch beim Arbeitgeber beschäftigt sind, als Zeugen benannt werden müssten. Hier kann dann z. B. das Zwischenzeugnis helfen, in welchem der Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis eine Beurteilung abzugeben hat und sich auch festlegt. Solange das Arbeitsverhältnis „läuft“, werden meist etwas bessere Noten erteilt als in einem Schlusszeugnis, welches im Zusammenhang mit Störungen des Arbeitsverhältnisses und seiner Beendigung erteilt wird. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 18.11.2014, 9 AZR 584/13, verlangt aber auch dem Arbeitgeber ab, Beanstandungen im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses deutlich zu dokumentieren und Kritik dann auch gegebenenfalls schriftlich mitzuteilen. Dies muss nicht für die Beteiligten von wirklichem Nachteil sein, wenn auch der Arbeitnehmer dadurch die Gelegenheit erhält, seine Leistung zu verbessern und gegebenenfalls bestehende Defizite aufzuarbeiten. Hier müssen dann beide Betriebsseiten an einer Optimierung arbeiten.

 

Source: Archiv Przytulla