Arbeitsrecht für Dortmund und Umgebung

Fortbildung – Ja, aber!

Seit vielen Jahren beschäftigen Fortbildungs-Vereinbarungen das Bundesarbeitsgericht mit der Frage, ob die entsprechenden Rückzahlungsvereinbarungen auch wirksam sind und der Arbeitnehmer dann tatsächlich bei einem Ende des Arbeitsverhältnisses Zahlungen zu leisten hat.

In diesem Jahr hat das Bundesarbeitsgericht eine weitere Entscheidung verkündet, die die sehr weit gehenden Anforderungen an den Arbeitgeber noch einmal erhöht, wenn er das investierte Geld zurück haben will.

I.

Der Fall

Die beklagte Arbeitnehmerin, die dann später einen Geldbetrag zurückzahlen sollte, war bei einer Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei vom 01.04.2014 bis 30.06.2020 als Buchhalterin beschäftigt. Die Parteien schlossen am 04.12.2017 eine Fortbildungsvereinbarung bei der es unter anderem dann hieß:

„Die Vorbereitung auf das Berufsexamen wird mit einem Gesamtbetrag in Höhe von bis zu 10.000,00 € gefördert. ….

 

Die Arbeitnehmerin kann frei über die Verwendung des Förderbudgets entscheiden.“

Eine Rückzahlung sollte erfolgen, wenn:

1.

Die Angestellte innerhalb von 14 Monaten nach bestandenem Berufsexamen das Unternehmen verließe.

 

2.

Die Angestellte innerhalb von 24 Monaten nach nicht bestandenem Berufsexamen das Unternehmen verließe.

 

3.

Die Angestellte das Examen wiederholt nicht ablege.

Im Übrigen gab es noch eine Härtefallklausel, wonach eine Rückzahlung nicht einsetzen sollte, wenn aufgrund eines zu großen Zeitablaufs oder aufgrund von Bestimmungen der entsprechenden Prüfungsgremien eine Wiederaufnahme und Beendigung des Examens nicht möglich sein sollte.

Die Mitarbeiterin, der die Mittel zur Ablegung der Steuerberaterprüfung zur Verfügung gestellt worden waren, trat weder zur Steuerberaterprüfung für das Jahr 2018, noch zu den Prüfungen der beiden Folgejahre an. Sie kündigte dann das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2020. Die Arbeitgeberin machte dann gegen die betreffende, vormalige Mitarbeiterin einen Rückzahlungsbetrag in Höhe von 4.083,93 € geltend.

II.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Nachdem das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht der Klage der Arbeitgeberin stattgegeben hatten, wies das Bundesarbeitsgericht die Klage ab.

Angesichts der Tatsache, dass die Mitarbeiterin sich nicht mehr weiter zur Steuerberaterprüfung angemeldet hatte und die Arbeitgeberin sogar eine Härteklausel zu Gunsten der Arbeitnehmerin in den Text der Vereinbarung aufgenommen hatte, hätte man „eigentlich“ erwarten dürfen, dass das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen aufrechterhalten hätte.

Zunächst stellte das BAG fest, dass – wie schon stets zuvor – durch derartige Rückzahlungsklauseln ein sog. Bleibedruck auf den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin ausgeübt werde, weshalb dann auch die nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistete arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitsnehmers eingeschränkt wäre.

Das BAG betont auch noch einmal, dass es nicht auf die wörtliche Bezeichnung der jeweiligen Vereinbarung ankommt. Auch ein Darlehen, das zu einer Rückzahlungsverpflichtung führt, gilt insoweit als Vereinbarung über die Rückzahlung von Ausbildungskosten. Dabei ist zu erwähnen, dass Rückzahlungsklauseln bzgl. der Erlangung von anfänglichen Qualifikationen, die der Arbeitgeber wünscht, damit ein Arbeitnehmer seine vereinbarte Tätigkeit erst erbringen kann, grundsätzlich nicht mit einer derartigen Rückzahlungsklausel belegt werden dürfen.

Das BAG betont in seiner Entscheidung, dass die Rückzahlungsklausel nicht eine unangemessene Benachteiligung bei Berücksichtigung der wechselseitigen, rechtlich anzuerkennenden Interessen der Vertragspartner darstellen dürfe. Grundsätzlich sind sie also zulässig. Das Problem liegt aber im Detail der jeweiligen Vertragsgestaltung:

Dabei seien Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen habe, soweit er die Fortbildung nicht beendet, grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer keinesfalls unangemessen. Wenn die Rückzahlungsklausel aber an ein nicht abgelegtes Examen anknüpft, müssten die billigenswerten Interessen im Wege eines angemessenen Ausgleichs berücksichtigt werden. Dem Bundesarbeitsgericht genügte dabei nicht schon die bereits sehr weit gefasste Härteklausel. Die hiesige Regelung greife nach dem BAG aber zu kurz. Sie erfasse nur einen Teil der praktisch relevanten Fälle und lasse insbesondere eine durch ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers (mit-)veranlasste Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer unberücksichtigt.

Da diese Regelung fehle, nach der die Härteklausel-Anwendung ausdrücklich Anwendung zu finden habe, wenn der Arbeitgeber die Kündigung des Arbeitnehmers mit zu verantworten habe, sei dann die gesamte Klausel unwirksam.

Dabei sei es für die Entscheidung über die Unwirksamkeit derartiger Fälle mit Formularklauseln gleichgültig, ob sich das darin enthaltende Risiko bei der Entscheidung auswirke. Hier ist jedoch zu bedenken, dass es gar keine Handlung der Arbeitgeberseite gab, derentwegen die Klägerin gekündigt hatte.

III.

Fazit:

Betrachtet man die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in den letzten Jahren zu derartigen Fortbildungsverträgen ist festzuhalten, dass diese durch Formularverträge nur schwerlich rechtswirksam abgeschlossen werden können. Da die Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte die sehr weitgehende Überprüfung des BAG kennen, kann man auch arbeitgeberseitig nicht hoffen, dass eine Überprüfung dort großzügiger wäre.

Für die Arbeitnehmer ist es sicherlich ein Vorteil, da sich immer Eventualitäten finden lassen, bei denen dann das BAG einwendet, dies hätte noch zugunsten des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin berücksichtigt werden müssen.

Inwieweit eine derartige Rechtsprechung dann dazu führt, dass Arbeitgeber immer vorsichtiger werden, entsprechende Mittel dem Arbeitnehmer zu gewähren, lässt das BAG (selbstverständlich) außer Betracht.

Dem Arbeitgeber bleibt dann nur, eine Individualvereinbarung abzuschließen, weil in diesem Falle dann sehr viel großzügigere Maßstäbe herrschen und der Arbeitnehmer dann relativ ungünstige Chancen hat, der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen.

Wir beraten Sie gern zu allen diesbezüglichen Fragen.

(Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2023, 9 AZR 187/22).

Dortmund, den 14.12.2023

Fritz-Martin Przytulla LL.M.

Rechtsanwalt