Arbeitsrecht für Dortmund und Umgebung

Keine Privatsphäre mehr am Arbeitsplatz

– die gefährliche Chatgruppe

Das Bundesarbeitsgericht hatte im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens darüber zu entscheiden, ob stark beleidigende, rassistische, sexistische und/oder zur Gewalt aufstachelnde Äußerungen eines Arbeitnehmers in einer What´s-App-Gruppe mit anderen Arbeitnehmern einen Kündigungsgrund für eine außerordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellen.

I.

Der Sachverhalt

Der Arbeitnehmer gehörte seit 2014 einer What´s-App-Chatgruppe in seinem Betrieb an, in der sich auch andere Arbeitskollegen befanden. Neben rein privaten Themen in der Gruppe äußerte sich der Kläger – ebenso wie mindestens zwei weitere Beschäftigte – in beleidigender und menschenverachtender Weise u. a. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Diese Inhalte wurden der Arbeitgeberin zufällig bekannt; sie kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich und fristlos wegen dieser Äußerungen gem. § 626 Abs. 1 BGB.

II.

Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht

Paragraph 626 Abs. 1 BGB gestattet es, ein Arbeitsverhältnis ohne Kündigungsfrist zu beenden, wenn dem kündigenden Teil eine nachfolgende Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – auch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist – nicht mehr zumutbar ist. Im vorliegenden Falle ging es gar nicht darum, ob die Äußerungen einen Kündigungsgrund darstellten. Hätte der Arbeitnehmer diese z. B. dem Vorgesetzten „ins Gesicht gesagt“, hätte niemand Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Kündigung gehabt.

Im vorliegenden Falle wandte der Arbeitnehmer aber gegen den Ausspruch der Kündigung ein, die Chatgruppe sei privat gewesen und er hätte nicht damit rechnen müssen, dass der Arbeitgeberseite die Verläufe bekannt werden würden, und demgemäß sei es auch außerhalb der Chatgruppe nicht zu beleidigenden Äußerungen gekommen.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben in diesem Fall noch angenommen, dass es eben aufgrund der „privaten Chatgruppe“ keine Äußerung für den Arbeitgeber gegeben habe und der Arbeitnehmer sich hätte auf die unterbleibende Weitergabe verlassen können.

Dies sah das Bundesarbeitsgericht aber anders. Dort kreiste die Fragestellung um den Gedanken einer „Vertraulichkeitserwartung“. Musste der gekündigte Arbeitnehmer zuvor annehmen, dass quasi niemand aus der Chatgruppe die Information weitergeben würde?

Das Bundesarbeitsgericht steht einer solchen Vertraulichkeitserwartung deutlich distanziert gegenüber. In diesem Zusammenhang müsse man den Inhalt der ausgetauschten Nachrichten, die Größe und personelle Zusammensetzung der Chatgruppe und die Interessen der Gruppenmitglieder betrachten. Wenn man sich auf eine solche „Vertraulichkeitserwartung“ stützen wolle, müsse man besonders darlegen, warum der Arbeitnehmer berechtigterweise erwarten durfte, der Inhalt der Nachrichten (Chats) werde von keinem (!) Gruppenmitglied an Dritte weitergegeben.

Dabei dürfte die Lebenserfahrung gerade bei Bemerkungen über Arbeitskollegen und Vorgesetzte wohl eher dafür sprechen, dass Derartiges dann auch tatsächlich weitergegeben wird. Gelingt dem Arbeitnehmer nicht der entsprechende Nachweis der gesicherten Vertraulichkeitserwartung, kann er sich nicht auf den Gedanken einer Privatheit stützen. Im Klartext: Dann kann der Arbeitgeber den Kündigungsgrund entsprechend zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einsetzen.

III.

Fazit: Was zu beachten ist!

Bei allen Situationen dieser Art muss man dem Arbeitnehmer raten, Äußerungen über Dritte einfach nicht von sich zu geben und nicht darauf zu bauen, dass Derartiges schon nicht weitergegeben wird. Hier muss man bedenken, dass das BAG die Beweislast für die Vertraulichkeitsbindung dem Arbeitnehmer, der entsprechende Äußerungen tätigt, auferlegt. Bereits eine größere Chatgruppe kann ein Indiz gegen die Vertraulichkeit sein, so auch bisheriges Verhalten einzelner Chatgruppen-Mitglieder.

Der Arbeitgeber muss in einer derartigen Situation natürlich innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB (zwei Wochen) nach Kenntnis von solchen Äußerungen reagieren.

Im Übrigen sollte er im eigenen Interesse so klug sein, sich mit einzelnen Personen aus der Chatgruppe zu unterhalten und gerade Erkundigungen dazu einzuziehen, ob es eine tatsächliche „Vertraulichkeitserwartung“ gab.

Dortmund, den 24.11.2023

Fritz-Martin Przytulla LL.M.

Rechtsanwalt