Erbvertrag:

Falle für nichteheliche Lebensgemeinschaften

 

 

I. Die Problemstellung

 

1.

Der Gesetzgeber gibt als Form für eine letztwillige, gemeinschaftliche Verfügung von nicht verheirateten Personen den Erbvertrag an die Hand. Was geschieht aber mit den vorgesehenen Erbberechtigungen, wenn die nichteheliche Lebensgemeinschaft aufgelöst wird? Neben dem Erbvertrag kennen wir das gemeinschaftliche Testament und das einseitige Testament. Beim gemeinschaftlichen Testament sieht der Gesetzgeber in § 2077 BGB vor, dass beim Tod eines Erblassers die letztwillige Verfügung – entsprechendes gilt auch für Verlobte – als nicht mehr wirksam anzusehen ist, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wurde. Dies heißt:

 

Verfassen Eheleute ein gemeinschaftliches Testament (handschriftlich oder besser notariell) und die Ehe wird etwa durch Scheidung vor dem Tod einer Beteiligtenseite beendet, fällt die Erbeinsetzung in jener gemeinschaftlichen Verfügung weg. Dabei sieht § 2077 BGB eine Interpretationsrichtlinie vor, wonach die Absätze 1 bis 2 jenes Paragraphen nur dann gelten, wenn nicht durch Auslegung ein gegenteiliger Wille des Erblassers festgestellt werden kann, z.B. ein Schreiben einer beteiligten Seite an den anderen Beteiligten des gemeinschaftlichen Testamentes nach Ausspruch einer Scheidung, dass sie z.B. aber auf jedem Falle an Regelungen im vorherigen, gemeinschaftlichen Testament festhalten will oder durch Zeugen entsprechende Äußerungen belegt werden könnten.

 

Immer wieder kommt es vor, dass Personen, die nicht miteinander verheiratet sind, gleichwohl eine testamentarische Bindung zwischen sich herstellen wollen. Dieses können Erwachsene, die nicht miteinander verheiratet sind, durch einen solchen Erbvertrag gemäß den §§ 2274 ff. BGB bewirken. Der Erbvertrag bedarf nach § 2276 BGB der notariellen Form.

 

2.

Der vom Oberlandesgericht Rostock entschiedene Fall (Beschluss vom 13.07.2021 – 3 W 80/20 –) behandelt das Problem, dass der Erblasser, der im Jahre 2017 verstarb, aus einer Beziehung mit der Lebensgefährtin eine Tochter hinterließ. Mit dieser errichtete der Erblasser am 02.05.2000 einen Erbvertrag, in dem sich beide gegenseitig zu Alleinerben einsetzten, wobei Erben nach dem Letztversterbenden sowohl die Tochter der Lebensgefährtin als auch der Kläger sein sollte. Der Kläger begehrt nach dem Tode seines Vaters dann einen Erbschein mit seiner Alleinerbenstellung und verwies darauf, dass sein Vater und die Lebensgefährtin später noch die Ehe eingegangen sind, die aber bereits einige Jahre später geschieden wurde. Dabei hätten sich die Beteiligten auch finanziell in Gänze einschließlich des Versorgungsausgleiches auseinandergesetzt und sämtliche güterrechtliche Ansprüche geregelt.

 

Der Erblasser habe während seiner schweren Erkrankung dann geäußert, der Sohn und nachmalige Kläger solle sein Erbe sein. Der Kläger verwies darauf, dass eben nach § 2077 BGB ein entsprechendes gemeinschaftliches Testament durch die Auflösung der Ehe auch die Wirksamkeit verloren hätte.

 

Diese Frage ist immens wichtig gewesen, weil der Kläger sonst als Nacherbe erst nach dem Tod der vormaligen Lebensgefährtin – zeitweisen Ehefrau – zum Zuge gekommen wäre.

 

II.  Auffassung des OLG Rostock

 

1.

Das OLG Rostock verweist zunächst darauf, dass § 2077 BGB nicht analog zu Gunsten des Sohnes berücksichtigt werden könne. Dabei ist die Begründung nicht ganz einheitlich. Das OLG Rostock geht davon aus, dass eine analoge Anwendung nicht in Betracht käme, weil das Gesetz das gemeinschaftliche Testament von nichtehelichen Lebenspartnern nicht berücksichtige, soweit nicht ein Eheversprechen = Verlöbnis vorhanden sei.

 

Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch der BGH sich bei der Berücksichtigung von Ehegatten eines Kindes gegen eine analoge Anwendung des § 2077 BGB in einem gemeinschaftlichen Testament ausgesprochen hat (vgl. BGH, Z E 154,336).

 

Darüber hinaus prüfte das OLG Rostock insoweit eigentlich überflüssigerweise auch die Frage, ob hierbei evtl. § 2077 Abs. 3 BGB zur Anwendung käme, wonach die im Streit stehende, letztwillige Verfügung dann nicht unwirksam sei, wenn angenommen werden müsse, dass der Erblasser sie auch für den Fall der Trennung gewollt habe.

 

Das Oberlandesgericht verweist darauf, dass die Eheschließung zwischen dem Erblasser und der Lebensgefährtin 17 Monate nach Abschluss des Erbvertrages gelegen habe. Die Lebensgefährtin hat in ihrem eigenen Interesse vorgetragen, dass sie und der Erblasser zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages noch nicht an eine Eheschließung gedacht hätten. Dies mag sein.

 

Im Übrigen hätten die Parteien auch bei ihrer Scheidung keine Regelung bzgl. des Erbvertrages vorgenommen, wo sich die Vermögenswerte getrennt hätten.

 

Vielmehr seien die Parteien beim Erbvertrag akribisch vorgegangen. Daraus müsse der Wille des Erblassers geschlussfolgert werden, dass auch bei einer Scheidung der zuvor geschlossene Erbvertrag bestand haben solle.

 

2.

Diese Entscheidung muss Kritik hervorrufen:

 

Es mag sein, dass eine analoge Anwendung hier nicht ins Auge springt und möglicherweise eher eine Anfechtung des Erbvertrages nach § 2078 BGB – dies hat der Sohn möglicherweise übersehen – auch in Betracht gekommen wäre.

 

Allerdings ist die Annahme, dass nach einer Ehe dann der Erbvertrag Gültigkeit behalten soll, nicht anzunehmen, gerade weil die Parteien alles dabei auseinandergesetzt haben. Vielmehr dürfte es so sein, dass der juristische Laie eher annimmt, dass mit der Scheidung dann „alles beendet sei“.

 

III.  Fazit

 

Wer einen Erbvertrag schließt, sollte im Falle der nichtehelichen Lebensgemeinschaft auf jeden Fall eine mögliche Eheschließung in Betracht ziehen und auch eine Regelung durch den Notar aufnehmen lassen, was bei einer nachfolgenden Eheschließung gelten soll, bzw. einer Trennung (ohne Eheschließung bzw. nach Eheschließung) gelten soll.

 

Ein Erbvertrag ist sicherlich ein gutes Mittel, Dinge zwischen nicht verheirateten Paaren, zu regeln. Allerdings sind diese „Feinheiten“ definitiv zu bedenken.

 

 

 

Fritz-Martin Przytulla LL.M.

– N o t a r –

Dortmund