Am 12. Februar 2015 hat das Bundesarbeitsgericht eine grundlegende Entscheidung zur fristlosen Kündigung von Auszubildenden getroffen:

 

Der Kläger absolvierte ab dem 01.08.2010 eine Berufsausbildung zum Bankkaufmann. Im Juni 2011 war er damit betraut worden, die Gelder in einer Nachttresor-Kassette aus einer Filiale zu zählen. Anschließend wurde ein Fehlbestand von 500,00 € dort wegen der vorangegangenen Erfassung festgestellt. Der Ausbildungsbetrieb (Bank) führte dann mit dem späteren Kläger ein Personalgespräch und erwähnte eine nicht näher bezifferte „Kassendifferenz“. Gleichwohl nannte der spätere Kläger dann in dieser Anhörung den Betrag von 500,00 € als Fehlbestand. Der Ausbildungsbetrieb folgerte daraus, dass der Kläger den Betrag entnommen habe, weil er sonst nicht um die konkrete Höhe der Summe gewusst haben könne. Jedenfalls verblieb der dringende Tatverdacht gegen ihn. Daraufhin sprach das Unternehmen die fristlose Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses aus. Der Kläger hat die Kündigung angegriffen, weil er sie für unwirksam hielt. Er äußerte die von Juristen auch schon zuvor vertretene Auffassung, ein Berufsausbildungsverhältnis könne nicht aufgrund einer sog. Verdachtskündigung beendet werden. Im Übrigen fehle es bei der für die Zulässigkeit einer Verdachtskündigung notwendigen, ordnungsgemäßen Anhörung, weil ihm vor dem fraglichen Gespräch nicht mitgeteilt worden sei, dass Gegenstand der Erörterungen jene Kassendifferenz sein solle. Er sei auch nicht auf die Möglichkeit der Einschaltung einer Vertrauensperson hingewiesen worden. Zudem habe der Ausbildungsbetrieb Pflichten aus dem Bundesdatenschutzgesetz verletzt.

 

Ein Berufsausbildungsverhältnis kann nach der Probezeit nur noch fristlos gekündigt werden.

 

Der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichtes hatte einige wichtige, grundlegende Aussagen getätigt:

 

  • Auch Ausbildungsverhältnisse können aufgrund einer sog. Verdachtskündigung fristlos beendet werden. Das Berufsbildungsgesetz kennt insoweit keine Einschränkung bei der fristlosen Kündigung bezüglich Tat- oder Verdachtskündigung. Von einer Verdachtskündigung spricht man, wenn ein Tatvorwurf mit „erdrückenden Verdachtsmomenten“ vorliegt, bei dem das letzte Moment des Beweises fehlt, aber die Umstände – wie bei einer sonstigen Tatkündigung – das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer so erschüttert haben, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheint. Dabei ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Verdachtskündigung eine vorherige Anhörung des/der Beschäftigten zu den relevanten Vorwürfen, um ihm/ihr die Möglichkeit der Klärung/Rechtfertigung und Entkräftung des Vorwurfes zu geben.
  • Auch die Anhörung ohne vorherige Hinweise zum Gegenstand sei dann immer noch rechtmäßig, wenn es um einen einzelnen Punkt gehe, der durch den Arbeitnehmer geklärt werden könne und es diesbezüglich auch keiner intensiven Vorbereitung bedürfe. Insoweit sei in derartigen Fällen eine vorherige Bekanntgabe des Gesprächsthemas nicht geboten. Auch Hinweise auf die mögliche Kontaktierung einer Vertrauensperson sei nicht zwingend.
  • Bei einer derartigen Konstellation stehen die Gesichtspunkte des Datenschutzrechtes (Bundesdatenschutzgesetz oder des Landesdatenschutzgesetzes) einer Erhebung der Beweise und deren Verwertung nicht entgegen.

 

Damit zeigt es sich einmal wieder, welche erhebliche Bedeutung die sog. Verdachtskündigung hat und der Umstand, dass gerade bei der notwendigen Anhörung des Arbeitnehmers in einer derartigen Situation beide Seiten ihre Rechte kennen müssen und sich darauf – ggf. auch durch entsprechende Beratung –  vorbereiten sollten.

 

F.-M. Przytulla, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

 

 

Source: Archiv Przytulla