Der BGH hat mit Urteil vom 28.04.2015 (VI ZR 267/14) seine Rechtsprechung zu der Zulässigkeit der Vornahme eines Verweises auf die Stundenverrechnungssätze einer technisch gleichwertigen Reparaturmöglichkeit seitens des regulierenden Versicherers präzisiert. Zum besseren Verständnis des nunmehr ergangenen Urteiles und dessen Bedeutung ist folgendes vorab zu erläutern:

 

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ist grundsätzlich berechtigt, sein beschädigtes Fahrzeug nicht reparieren zu lassen und stattdessen fiktiv auf Basis eines eingeholten Kostenvoranschlages oder eines Sachverständigengutachtens abzurechnen. Üblicherweise liegen solchen Sachverständigengutachten/Kostenvoranschlägen die Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt, also Werkstatt des jeweiligen Fahrzeugherstellers, zugrunde. Die Versicherungswirtschaft ist in den letzten Jahren dazu übergegangen, die in diesem Gutachten prognostizierten Reparaturkosten auf niedrigeren Stundenverrechnungssätze einer freien, nicht markengebundenen Fachwerkstatt umzurechnen und dem Geschädigten entsprechend abgeänderte Reparaturkostenkalkulationen (sog. Prüfberichte) zukommen zu lassen. Der BGH hat mit einer Vielzahl von Urteilen dieses Vorgehen der Versicherer unter folgenden Voraussetzungen als zulässig erklärt:

 

– das betroffene Fahrtzeug ist über drei Jahre alt,

– das betroffene Fahrzeug ist nicht stetig und ausnahmslos in einer Markenwerkstatt gewartet und repariert worden,

– der Verweis erfolgt auf die allgemeinen Aushanglöhne der benannten Reparaturwerkstatt und nicht auf Sonderkonditionen, die der Versicherung geboten werden.

 

In der Vergangenheit war in der Instanzenrechtsprechung, insbesondere im Landgerichtsbezirk Hamburg streitig, ob ein solcher Verweis auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit auch dann möglich ist, wenn zwar in dem Prüfbericht, mittels dessen der Verweis erfolgt, die allgemeinen Aushanglöhne des Verweisbetriebes benannt sind, der Betrieb, auf welchen verwiesen wird, jedoch im Rahmen von Kaskoschäden Sondervereinbarungen mit dem regulierenden Versicherer getroffen hat.

Zum Teil waren die Gerichte der Auffassung, dass, wenn der regulierende Versicherer Sonderverbindungen mit dem benannten Reparaturbetrieb hat, ein Verweis nicht zumutbar ist. Begründet wurde diese Auffassung damit, dass auch wenn Sonderverbindungen im Rahmen von Kaskoschäden bestehen, diese Einfluss auf die Leistungen der Werkstatt im Rahmen von Haftpflichtschäden haben.

 

Dieser Auffassung hat der BGH eine klare Absage erteilt. Der BGH hat deutlich klargestellt, dass es für einen Verweis auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit unbeachtlich ist, ob der benannte Betrieb, auf den verwiesen wird, Sondervereinbarungen mit dem regulierenden Versicherer in Kaskoschadensfällen hat. Allein maßgeblich ist laut BGH, dass die in dem Prüfbericht, mittels dessen ein Verweis erfolgt, benannten Stundenverrechnungssätze den Aushanglöhnen der Werkstatt entsprechen. Ist dies der Fall, ist nämlich sichergestellt, dass der Geschädigte nicht schlechter gestellt ist, als jeder freie Kunde, der den Betrieb aufsucht. Ein Verweis ist nur dann nicht möglich, wenn nicht die allgemeinen Aushanglöhne, sondern tatsächlich Sonderkonditionen in dem Prüfbericht aufgeführt worden sind. Ist dies nicht der Fall, sondern wurden die allgemeinen Aushanglöhne in dem Prüfbericht genannt, ist das parallele bestehen etwaiger Sonderverbindungen zwischen Reparaturbetrieb und der regulierenden Versicherung unschädlich.

 

Fazit: Der BGH hat mit diesem Urteil einen weiteren Streitpunkt rund um die Frage der Zulässigkeit und Möglichkeit eines Werkstattverweises aufgeklärt. Festzuhalten bleibt damit für die Praxis, dass das Vorgehen gegen einen solchen Werkstattverweis angesichts der Rechtssprechung des BGH meist ohne Aussicht auf Erfolg ist. Lediglich wenn der Geschädigte nachweisen kann, dass ihm Sonderkonditionen der Werkstatt benannt worden sind, oder die Reparaturqualität nicht dem einer Markenwerkstatt entspricht, oder der Pkw Scheckheft-gepflegt ist, wird heutzutage noch ein Werkstattverweis zu verneinen sein. Der Geschädigte, der also fiktiv auf Basis eines Kostenvoranschlages abrechnet, sollte stets damit rechnen, dass die von dem Sachverständigen oder die in einem Kostenvoranschlag prognostizierten Reparaturkosten nicht unbedingt dem Erstattungsbetrag entsprechen, da im Regelfall seitens des Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers des Unfallgegners eine entsprechende Kürzung durch Vornahme eines Werkstattverweises erfolgen wird. Die Rechtssprechung des BGH ist insofern erfreulich, da mit dem Urteil vom 28.04.2015 bezüglich der Frage des Werkstattverweises weitere rechtliche Klarheit geschaffen worden ist. Damit ist für alle Seiten größere Rechtssicherheit bei der Regulierung und Abwicklung von Kraftfahrzeugschäden betreffend der Problematik der Zulässigkeit eines Werkstattverweises verbunden.

 

Source: Archiv Przytulla