Dies ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wichtig!

Ob Dortmund oder Dubai
Grundsätzliches Urteil im Entsenderecht zur Vergütung von Reisezeiten zum
Arbeitsplatz und zurück

1. Der Fall
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 17.10.2018, das jetzt vorliegt, scheint
zunächst einen ungewöhnlicheren Sachverhalt im Arbeitsrecht zu betreffen: Der Kläger war
von der Arbeitgeberin, einem Bauunternehmen, zu einer Baustelle nach China entsandt
worden. Auf seinen Wunsch hin buchte die Arbeitgeberin für die Hin- und Rückreise statt
eines Direktfluges in der Economy-Class einen Flug in der Business-Class mit
Zwischenstopp in Dubai.

Die Reisezeit hat die Beklagte dem Kläger mit insgesamt 4 x 8 Stunden vergütet. Der Kläger
wünschte aber die Bezahlung weiterer 37 Stunden mit der Begründung, die gesamte
Reisezeit von seiner Wohnung bis zur auswärtigen Arbeitsstelle und zurück sei von der
Arbeitgeberin einschließlich des von ihm gewünschten Zwischenstopps zu bezahlen.

2. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Nun könnte man vielleicht in Dortmund sagen, dass dieses Urteil hier nicht sehr viele
Beschäftigte im Hinblick auf eine Dienstreise nach China interessierte. Das ist möglicherweise
vordergründig richtig. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht muss man aber rechtzeitig auf die
Konsequenzen in dieser Entscheidung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber hinweisen.
Das BAG hat grundsätzlich – und dies wird viele Beschäftigte und Betriebe betreffen –
festgehalten, dass nach § 611 Abs. 1 BGB zu den versprochenen Arbeitsleistungen jede
Tätigkeit gehört, die dazu dient, die „Bedürfnisse“ des Arbeitgebers im Hinblick auf die
Leistung zu erfüllen.

Dabei sei die Fahrt zur Arbeit und zurück grundsätzlich keine Tätigkeit „für“ den Arbeitgeber.
Etwas anders gelte lediglich, wenn der/die Beschäftigte seine/ihre Tätigkeit außerhalb des
Betriebes zu erbringen habe.
„In diesem Fall gehört das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle zu
den vertraglichen Hauptleistungspflichten, weil das wirtschaftliche
Ziel der Gesamttätigkeit darauf gerichtet ist, den Kunden
aufzusuchen…“
Dazu gehöre dann zwingend die jeweilige An- und Abreise, wobei als Anfangs- und
Endpunkt auch die Wohnung des Arbeitnehmers in Betracht komme.
Die vorstehenden Ausführungen kann man durchaus verallgemeinern. Wer von Dortmund,
dem normalen Arbeitssitz, morgens gleich nach Essen zu einem Kunden fährt, kann als
Arbeitszeit die Fahrtstrecke nach Essen (einschließlich des obligaten Staus auf der B 1)
abrechnen; man muss „nur“ die normale Anfahrt zum Betrieb abziehen.
Insoweit muss sich der Arbeitnehmer auch nicht auf die arbeitszeitrechtliche Einordnung
nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG verweisen lassen. Das BAG hat ausdrücklich festgehalten,
dass vorbehaltlich sonstiger, z.B. tariflicher Regelungen nur die erforderliche Reisezeit
durch den Arbeitgeber zu bezahlen ist.
Konkret hat das BAG entschieden, dass auf die tatsächliche Reisezeit (Flugzeit) bis nach
China und zurück abzustellen sei, und wieweit z. B. ein Direktflug zumutbar gewesen wäre
bzw. auch ein Zwischenstopp – aus welchen Gründen auch immer – geboten gewesen wäre.
Dabei hat das BAG auch entschieden:
Es können natürlich auch stets anderweitige Regelungen durch den Arbeitsvertrag für
Reisezeiten getroffen werden. Das BAG formuliert sogar:
„Dabei kann eine Vergütung für Reisezeiten auch ganz ausgeschlossen werden, sofern mit der getroffenen Vereinbarung nicht der jedem Arbeitnehmer für tatsächlich geleistete vergütungspflichtige Arbeit nach § 1 Abs. 1 MiLoG zustehende Anspruch auf den Mindestlohn unterschritten wird.“

Grundsätzlich ist nur das als vergütungspflichtige Reisezeit für den Arbeitnehmer
anzuerkennen, was tatsächlich benötigt wird, um entsprechend den Vorgaben des
Arbeitgebers das Reiseziel zu erreichen. Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die
Wahl von Reisemittel und/oder Reiseverlauf, ist der Arbeitnehmer aufgrund seiner Pflicht
zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Vertragsteils (§ 241 Abs. 2 BGB) im
Rahmen des ihm Zumutbaren verpflichtet, das kostengünstigste Verkehrsmittel bzw. den
kostengünstigsten Reiseverlauf zu wählen. Bei einer Flugreise ist deshalb grundsätzlich die
Reisezeit erforderlich, die bei einem Direktflug in der Economy-Class anfällt, es sei denn, ein
solcher wäre wegen besonderer Umstände dem Arbeitnehmer nicht zumutbar.
Insoweit ist dann auch regelmäßig ein Direktflug oder in anderen Fällen: Direktfahrt
zumutbar. Im konkreten Fall war der Umweg über Dubai nicht vergütungspflichtig. Zur
„erforderlichen Reisezeit“ zählt auch nicht rein eigennütziger Zeitaufwand im Zusammenhang
mit der Reise, wie etwa das Kofferpacken oder Duschen, wie das BAG ausdrücklich
festgestellt hat.

3. Quintessenz
Das Urteil hat deshalb auch weitreichende Bedeutung für Einsätze außerhalb des Betriebes
und sollte beachtet werden. Allerdings sind damit einige andere, wichtige Punkte noch nicht
geklärt:

  • Ist der Arbeitnehmer überhaupt zu einer derartigen Reise verpflichtet?
  • Muss der Arbeitnehmer seinen Privatwagen für Dienstreisen einsetzen?
  • Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer denn geregelt, ob reine Transportzeiten ohne
    Einschränkung, z. B. die Bahnfahrt von Dortmund zum Einsatzort, als volle Arbeitszeit
    oder nur mit einer Quote angerechnet wird?

Gez. Fritz-Martin Przytulla LL.M., Rechtsanwalt/ Fachanwalt für Arbeitsrecht,
Dortmund, 21.03.2019

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2018, 5 AZR 553/17