Arbeitsrecht für Dortmund und Umgebung

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Videoüberwachung im Betrieb

In einem Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht (2 AZR 296/22) ging es um die Frage, ob der Arbeitgeber Videoaufnahmen, auf denen Arbeitnehmer sichtbar sind, verwerten darf, um ein Fehlverhalten des Beschäftigten zu beweisen und darauf eine Kündigung zu stützen.

I.

Der Sachverhalt

Die Beklagte warf ihrem Mitarbeiter (Kläger) vor, dass er das Betriebsgelände, welches er zunächst betreten hatte, dann wieder in der Absicht verlassen hatte, sich trotz dieser Abwesenheit vom Arbeitsplatz vergüten zu lassen.

Nachdem die Zweifel über die Anwesenheit des Arbeitnehmers entstanden waren und die Arbeitgeberin festgestellt hatte, dass er das Betriebsgelände wieder verlassen hatte, kündigte die Beklagte/Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos gem. § 626 Abs. 1 BGB wegen Lohnbetruges.

II.

Beurteilung durch das Bundesarbeitsgericht (BAG)

Im vorliegenden Fall war für die Gerichte klar, dass ein Fall des Lohnbetruges zur fristlosen Kündigung berechtigt. Der Arbeitnehmer aber wandte ein, dass der Sachverhalt gegen ihn gar nicht ordnungsgemäß festgestellt worden war. Er beharrte darauf, dass die Arbeitgeberseite eine unzulässige Aufzeichnung der Situation gemacht habe und deshalb das entsprechende Videomaterial nicht vor Gericht gegen ihn verwandt werden dürfe. Dann hätte die Arbeitgeberseite keinerlei Beleg für das Wegfahren des Arbeitnehmers und die fehlende Schichterbringung gehabt.

In früherer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Verwertung von Videoaufzeichnungen in einem nur sehr beschränkten Maße zugelassen und dabei erklärt, eine entsprechende, aber verdeckte Maßnahme sei nur als allerletztes Mittel für die Feststellung eines Arbeitnehmerfehlverhaltens möglich (Fälle der sog. „Kassenüberwachungen“).

Im vorliegenden Falle war im Übrigen auch noch festzustellen, dass die entsprechende, nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) notwendige Mitteilung der Aufzeichnung gegenüber dem Beschäftigten nicht gegeben war.

Das BAG hat nunmehr aber entschieden, dass derartige Videoaufzeichnungen tatsächlich als Beweismittel durch ein Gericht verwertet werden dürfen, auch wenn die Erhebung eben jener Daten (Videoaufzeichnung) rechtswidrig sei. Das Bundesarbeitsgericht begründet sein Ergebnis damit, dass hier die Bestimmungen der DSGVO differenzierter zu betrachten sind. Einerseits mag ein Recht auf Löschung rechtswidrig erhobener Daten bestehen. Dies sei aber von der Notwendigkeit, eben jene Daten zur Durchsetzung von Rechten zu verwenden, zu trennen. Der Schutz personenbezogener Daten gelte auch im Arbeitsverhältnis nicht uneingeschränkt und müsse gegen andere Interessen, z. B. das einer gerechten Beurteilung des Arbeitnehmerverhaltens, abgewogen werden.

Dabei führt das BAG an, dass bei einer offenen, vom Arbeitnehmer erkannten Videoüberwachung die (rechtswidrig) erhobenen Daten gerichtlich verwertet werden dürften, wenn es sich um ein absichtliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers handele. Er könne durch den Datenschutz nicht bessergestellt werden, wenn er selbst gegenüber der Arbeitgeberseite rechtswidrig handele.

Das Recht des Arbeitnehmers an seinen Daten/Videoaufzeichnung könne hier nicht missbräuchlich dem Arbeitgeber entgegengehalten werden, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich die Interessen des Arbeitgebers schädige.

Dabei spielte es auch eine Rolle, dass die Kameras gut sichtbar waren und der Arbeitnehmer insoweit damit rechnen musste, dass es entsprechende Aufzeichnungen gab. Die Speicherung derartiger Aufzeichnungen muss der Arbeitnehmer sich dann auch gefallen lassen. Er wurde insbesondere nicht heimlich ausgespäht, sondern hat sich einer Aufzeichnung bewusst ausgesetzt.

III.

Was nun?

Das Bundesarbeitsgericht lässt hier zum ersten Mal ganz deutlich erkennen, dass datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht zum Täterschutz werden dürfen.

Grundsätzlich ist natürlich einem Arbeitgeber auch anzuraten, auf derartige Videoaufzeichnungen gut lesbar hinzuweisen. Dann kommt es nicht zu einem Streit über die Zulässigkeit der Verwertung.

Dies gilt auch für die Videoüberwachung in anderen Bereichen eines Betriebes. Die Arbeitnehmer sollten darüber informiert werden. Gegebenenfalls ist auch bei Vorhandensein eines Betriebsrates mit dem Arbeitnehmergremium eine Lösung zu finden.

Jedenfalls sind die datenschutzrechtlichen Bestimmungen kein Schutzwall gegen Schädigungen des Arbeitgebers.

Dortmund, den 23.11.2023

Fritz-Martin Przytulla LL.M.

Rechtsanwalt