Schadensersatz bei falschen Ratschlägen?

In seiner neuesten Entscheidung zu Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer hat das Bundesarbeitsgericht einige ganz wichtige, grundsätzliche Positionen bezogen (Urteil vom 18.02.2020 – 3 AZR 206/18).

Der Fall

Der Kläger dieses Verfahrens nahm im Jahre 2003 an einer Betriebsversammlung teil, auf der ein Fachberater der örtlichen Sparkasse die Arbeitnehmer der Beklagten über Chancen und Möglichkeiten der Entgeltumwandlung als Vorsorge über die Pensionskasse, die im Unternehmen für die Beschäftigten vorhanden war, informierte.

Entsprechend den erteilten Ratschlägen schloss der Kläger im September 2003 eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Kapitalwahlrecht ab. Bei der Auszahlung der Pensionskassenrente ließ er sich diese als Einmalkapitalbetrag ausschütten. Für diesen Betrag musste der Kläger aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahre 2003 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichten.

Mit der Klage machte der Kläger einen Schadensersatzanspruch gegen die damalige Arbeitgeberin als Beklagte geltend. Er vertrat die Auffassung, die Beklagte habe ihn vor Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung über das damals laufende (!) Gesetzgebungsverfahren, in dem über die Sozialversicherungspflicht derlei Einkünfte diskutiert wurde, informieren müssen. Hätte ihn die Arbeitgeberin damals bei der Informationsveranstaltung im Jahre 2003 darauf hingewiesen, hätte er wegen der größeren finanziellen Belastung und der daraus resultierenden Schmälerung seiner Einnahme dann eine andere Altersvorsorge ohne eine entsprechende Sozialversicherungspflicht abgeschlossen.

Im konkreten Einzelfall verneinte das Bundesarbeitsgericht eine Information des Arbeitnehmers über konkret jenen Sachverhalt, der dann in der geplanten und auch vollzogenen Gesetzesänderung mit der Sozialversicherungspflicht und damit höheren Zahllast zu seinen Ungunsten geändert wurde. Das Bundesarbeitsgericht ließ es damit bewenden, dass in der fraglichen Betriebsversammlung über die Beitragspflichten zur Sozialversicherung gar nicht unterrichtet wurde und insoweit auch keine Falschinformation erteilt worden ist. Insoweit könne es dahinstehen, ob der damaligen Arbeitgeberin das möglicherweise nicht vollständig richtige Informationsverhalten des Fachberaters der Sparkasse zugerechnet werden könne. Folglich erhielt der Kläger keinen Schadensersatz.

Praktische Konsequenzen

a)

Bei derartigen Informationsveranstaltungen oder auch Informationsschreiben, die ein Arbeitgeber an die Arbeitnehmer weiterleitet bzw. dazu Dritte informationshalber reden lässt, ist in jedem Fall für beide Seiten Vorsicht geboten.

Der Arbeitgeber wäre klug beraten, von vorneherein zu erklären, dass der Betreffende nicht in seinem Namen auftritt und für ihn Erklärungen abgibt und insbesondere eine Haftung für falsche Erklärungen nicht übernehmen wird, soweit nicht grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz im Spiel ist.

Arbeitnehmer sollten sich nicht blindlings darauf verlassen, was bei derartigen Veranstaltungen erklärt wird, sondern bei Fragen gezielt, möglichst in schriftlicher Form, nachsetzen und sich vom Arbeitgeber dann eine valide Auskunft in Schriftform erteilen lassen, die ggf. dann tatsächlich zur Grundlage von Ersatzansprüchen gemacht werden kann.

b)

Das Bundesarbeitsgericht hat bei konkreten Anlässen durchaus eine sogenannte „Verpflichtung zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen des Arbeitnehmers“ bejaht, da darauf gerichtete Handlungen / Hinweise des Arbeitgebers vorhanden waren. Im Allgemeinen erkennt das Bundesarbeitsgericht aber auch heute eine allgemeine Pflicht für den Arbeitgeber, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen, nicht an.

Erteilte Auskünfte müssen aber richtig, vollständig und eindeutig sein, sonst kann es zu einer Haftung kommen. Demgemäß ist für beide Seiten eine kluge Dokumentation und Klarstellung geboten.

gez. Fritz-Martin Przytulla LL.M.

Rechtsanwalt – Fachanwalt für Arbeitsrecht