Stundung bei Auszahlung eines Pflichtteils durch Erben bei unbilliger Härte nicht in jedem Falle!

OLG Rostock Az. 3 U 32/17 vom 20.06.2019

I.

Die Kläger nahmen als Pflichtteilsberechtigte nach ihrem Vater die Beklagte, die dessen Enkelin und Alleinerbin ist, auf Zahlung in Anspruch. Wesentlicher Vermögenswert des Nachlasses war ein bebautes Grundstück, das jetzt durch die Beklagte und ihre Familie zu Wohnzwecken genutzt wird.

Mit ihrer Klage hatten die Kläger u.a. ihren Pflichtteil aus dem Wert des Grundstücks verlangt. Die Beklagte hat Klageabweisung und hilfsweise Stundung des Pflichtteils beantragt. Sie trug vor, die Erfüllung der Pflichtteilsansprüche beinhalte eine unbillige Härte für sie, die jetzt mit fünf Kindern das Haus bewohne und aus persönlichen Gründen wohl keinen weiteren Kredit erhalten werde. Die Beklagte hätte damit natürlich langfristig den Pflichtteilsanspruch unmöglich gemacht, weil sie sich im Grunde auf eine dauerhafte Zahlungsunfähigkeit berief. Zudem bewohnte sie auch noch ein anderes Haus.

II.

Behandlung des Falles durch das Gericht

Gemäß § 2331a Abs. 1 BGB kann der Erbe Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere, wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Das Familienheim muss dabei nicht schon zum Zeitpunkt des Erbfalls die Lebensgrundlage bilden, es genügt, wenn dies für die Zukunft der Fall ist.

Hier geht es also darum, dass, obwohl der Anspruch rechtlich gegeben ist, der Erbe einwendet, er könne aus derartigen, unbedingten Gründen nicht die entsprechende finanzielle Leistung erbringen, was eben dazu führt, dass faktisch der sogenannte Pflichtteilsanspruch seine Wirkung für den Begünstigten verliert.

Dabei kam das Gericht aber zu dem Schluss:

Bei der Stundung dürfen jedoch nicht nur die Interessen des Erben eine Rolle spielen. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind ebenfalls angemessen zu berücksichtigen, hier hatten diese bereits 2014 einen unbefristeten Stundungsantrag gestellt und im Rahmen dieses Rechtsstreits faktisch auch bereits eine Hinauszögerung ihrer Auszahlungspflicht von ca. fünf Jahren erreicht. Wichtig ist also insoweit, um welche Zeiten es sich in einem derartigen Falle mit dem Hinauszögern der Zahlung handelt, und welche Perspektive auch der Pflichtteilsbelastete (gleich Erbe) bietet, um seiner rechtlich zunächst einmal gegebenen Zahlungspflicht nachzukommen.

Hier bewohnte die Beklagte ja zudem noch ein anderes Haus, sodass ihre Zwangslage für das Gericht auch nicht richtig erkennbar war.

Die Beklagte bewohnte zudem noch ein anderes Haus. Es gab keine Notwendigkeit, das Haus zu beziehen und bewohnbar zu machen.

Zudem war nach der Entscheidung absehbar, dass der Erbe „auch durch Stundung nicht in die Lage versetzt wird, sich jemals die Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen“. Zudem war für die Entscheidung der Richter auch maßgeblich, dass ein ernsthaftes Kaufangebot für das Haus vorlag, welches von der Erbin ausgeschlagen wurde.

Praktische Nutzeranwendung:

Konsequenzen für die Behandlung des Pflichtteilsanspruches

Ein derartiger Stundungsanspruch kommt also nicht in Betracht, wenn absehbar ist, dass der Erbe jemals die Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruches zukünftig haben wird. Wer die Stundung verlangt, muss auch stets mitteilen, welche Initiativen er entwickelt, um dann doch in absehbarer Zeit (und nicht erst in 5 Jahren!) den Zahlungsanspruch zu erfüllen. Die Stundung ist nur ein zeitweiliges Mittel, wie es auch das OLG Rostock gesehen hat, um die Zahlung eben auszusetzen. Ist von Anfang erkennbar, dass die Stundung nicht nur zeitweilig, sondern dauerhaft sein soll, kann der Erbe mit den Einwand der unbilligen Härte nicht „durchkommen“.

Eine Stundung des Pflichtteilsanspruches kommt also nicht in Betracht, wenn absehbar ist, dass der Erbe nicht in die Lage versetzt wird, sich jemals die Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen.

OLG Rostock, AZ 3 U 32/17 vom 20.06.2019