1. Problemstellung/Fall: Der Bundesgerichtshof hat vor kurzem im Dieselskandal eine Entscheidung getroffen.

Der Kläger erwarb am 10. Januar 2014 zu einem Preis von 31.490 € brutto von einem Autohändler einen Gebrauchtwagen VW Sharan 2.0 TDl match, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist die Herstellerin des Wagens. Das am 12. Juli 2012 erstmals zugelassene Fahrzeug wies beim Erwerb einen Kilometerstand von 20.000 km auf. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.

Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
Der Kläger begehrte nun Schadensersatz von dem Hersteller des Fahrzeugs, es stellte sich die Frage, ob es sich um eine sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB handelte.

2. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes

Der Bundesgerichtshof hat nun klargestellt, dass dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs Schadensersatzansprüche gegen VW zustehen. Es stehe wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugkäufer gleich, wenn ein Fahrzeughersteller im Rahmen einer von ihm getroffenen Entscheidung, die Typengenehmigung der Fahrzeuge durch arglistige Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes erschleicht. Die Täuschung ist mithin dadurch bedingt, dass die Hersteller dem KBA vorspiegelten, dass die Motoren die Abgasgrenzwerte, die für eine Zulassung unter EURO 5 Norm vorgeschrieben sind, einhalten. Der Käufer eines Fahrzeugs, gleichgültig ob er das entsprechende Fahrzeug neu oder gebraucht erworben hat, setzt die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben arglos als selbstverständlich voraus.

Bestehen sodann hinreichende Anhaltspunkte für die Kenntnis zumindest eines vormaligen Mitglieds des Vorstandes von der getroffenen strategischen Entscheidung, trägt der Hersteller die sekundäre Darlegungslast für die Behauptung, eine solche Kenntnis habe nicht vorgelegen. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt zwar derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. sowohl für die Umstände, die die Schädigung und deren Sittenwidrigkeit in objektiver Hinsicht begründen, als auch für den zumindest bedingten Vorsatz des Schädigers hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände. Der Anspruchsteller hat daher auch darzulegen und zu beweisen, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter (§ 31 BGB) des in Anspruch genommenen Unternehmens die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat.
In bestimmten Fällen ist es indes Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Dabei hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden zunächst davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. Eine sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Die sekundäre Darlegungslast führt jedoch weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des in Anspruch Genommenen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte, kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt setzt allerdings voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht. Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik unter bewusstem Verschweigen der gesetzwidrigen Softwareprogrammierung stellt eine Täuschung nicht nur staatlicher Stellen und der Wettbewerber, sondern auch der Kunden dar, die bis zur Stilllegung des Fahrzeugs fortwirkt. Die Fahrzeughersteller haben systematisch und über Jahre hinweg aus reinem Gewinnstreben die Arglosigkeit der Kunden planmäßig ausgenutzt und sich dabei das Vertrauen der Verbraucher in das bei dem KBA zu durchlaufende Genehmigungsverfahren zunutze gemacht. Gerade wenn die Käufer, wovon die Hersteller ausgehen, sich konkrete Vorstellungen über die Rechtsbeständigkeit der Typgenehmigung und die Erfüllung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte machten, war das Inverkehrbringen der Fahrzeuge unter diesen Umständen sittenwidrig und stand wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Käufer gleich. Ein solches Vorgehen verstößt derart gegen die Mindestanforderungen im Rechts- und Geschäftsverkehr auf dem hier betroffenen Markt für Kraftfahrzeuge, dass ein Ausgleich der bei den einzelnen Käufern verursachten Vermögensschäden geboten erscheint.

Allerdings gelten die Grundsätze der Vorteilsausgleichung auch für einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Täuschung gemäß § 826 BGB. Hierzu muss zunächst die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs geschätzt werden. Sodann ist von dem gezahlten Bruttokaufpreis auszugehen und dieser wird mit den gefahrenen Kilometern des Anspruchsstellers multipliziert, weiter muss dieser Wert durch die noch zu erwartende Gesamtlaufleistung zum Zeitpunkt des Kaufes dividiert werden. Ergebnis dieser Rechnung ist die Nutzungsentschädigung welche sich der Anspruchssteller anrechnen lassen muss.

3. Praktische Nutzanwendung

Die Entscheidung macht folgendes deutlich:

Zum einen ist es für den Laien zunächst nicht möglich zu eruieren, in welcher Höhe ein Anspruch seinerseits besteht. Weiter ist für den Rechtssuchenden schwer abzuschätzen inwieweit er in Bezug auf das Wissen des Vorstandes vorzutragen hat. Es ist dem Laien schwer möglich in Erfahrung zu bringen wann er seiner Darlegungslast genügt hat und ab wann die sekundäre Beweislast des Anspruchsgegners zum Tragen kommt. Außerdem ist oft bereits fraglich, ob in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine Abschaltvorrichtung verbaut ist.

BGH vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19