Zivilrecht für Dortmund und Umgebung

 

Die Kaufentscheidung fällt erst mit der Unterschrift

 

Der Kauf einer Immobilie stellt sowohl für Privat- als auch für Geschäftsleute regelmäßig eine Entscheidung von großer wirtschaftlicher Tragweite dar. Aus diesem Grund sind bei solchen Geschäften einige Formvorschriften zu beachten. Dadurch soll verhindert werden, dass insbesondere der Käufer übereilte Entscheidungen trifft. Trotz dieser Schutzmaßnahmen kommt es immer wieder zu Fällen, in denen der Käufer den Verkäufer in Regress nehmen möchte. In diesem Zusammenhang kann dann unter anderem die Frage, wann die Kaufentscheidung gefallen ist und welche Informationen der Verkäufer dem Käufer hätte zur Verfügung stellen müssen, von entscheidender Bedeutung sein, wie ein am 16. Juli 2021 vom Bundesgerichtshof entschiedener Fall (V ZR 119/20) zeigt.

 

Was war geschehen?

In einem Exposé wurden 2 Mehrfamilienhäuser, die leer standen und über jeweils 4 Wohneinheiten ohne Heizung verfügen sollten, zum Kauf angeboten. Nach Besichtigung der Liegenschaft erklärte die Käuferin, dass sie das Objekt kaufen wolle. Kurze Zeit später erhielt sie vom Verkäufer die Nachricht, dass er das Kaufangebot annehme. Zwischen Mitteilung des Verkäufers, dass er das Angebot annehme und der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags, wurde der Käuferin eine sogenannte Visualisierung vom Verkäufer zur Verfügung gestellt. Im Zusammenspiel von Exposé und der Visualisierung ergab sich, dass darüber hinaus die Möglichkeit gegeben sein sollte, die Dachgeschosse ausbauen zu können. Nach der Unterzeichnung des Kaufvertrags erfuhr die Klägerin jedoch, dass das Bauamt der Verkäuferin vor der Beurkundung des Vertrags mitgeteilt haben soll, dass aus Sicht des Bauamtes je Mehrfamilienhaus nur 2 Wohneinheiten genehmigungsfähig wären. Die Klägerin begehrte daraufhin Schadensersatz von der Verkäuferin. Mit diesem Ansinnen hatte sie bei den Instanzgerichten keinen Erfolg.

 

Zumindest bis zur Unterzeichnung des Kaufvertrags müssen die Angaben des Verkäufers wahrheitsgemäß sein

Die Instanzgerichte hatten den Schadensersatzanspruch der Klägerin noch mit der Begründung abgelehnt, dass die Kaufentscheidung nicht erst mit der Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrags gefallen sei. Vielmehr sei der Entschluss zum Kauf bereits vor der Zurverfügungstellung der Visualisierung, aus der sich insbesondere die Ausbaumöglichkeit des Dachgeschosses ergeben haben soll, gefallen. Aus Sicht der Instanzgerichte hatte die Käuferin den Kaufentschluss gefasst, als sie dem Verkäufer ihr Angebot zum Erwerb der Immobilien zukommen ließ.

Dem ist der Bundesgerichtshof entgegengetreten. Er stellt erneut fest, dass der Käufer einer Immobilie bis zur Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrags, in der Regel ohne regresspflichtig zu sein, von seinem Kaufentschluss Abstand nehmen kann. Deshalb können bis zu diesem Zeitpunkt alle Äußerungen des Verkäufers für die Frage von Relevanz sein, ob einem Käufer Schadensersatzansprüche gegenüber dem Verkäufer zustehen.

In dem oben genannten Rechtsstreit hat der Bundesgerichtshof den Fall an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Denn das Berufungsgericht hatte keinerlei Feststellungen dazu getroffen, ob die Verkäuferin tatsächlich falsche Angaben zur Ausbaufähigkeit der Mehrfamilienhäuser gemacht hatte. Sollte dies der Fall gewesen sein, so wäre sie schadensersatzpflichtig. Daran würde auch eine in dem Kaufvertrag aufgenommene Haftungsfreizeichnung nichts ändern.

 

Fazit

Häufig unterschätzen die Parteien eines Immobiliengeschäfts die wirtschaftliche Relevanz der notariellen Beurkundung der Kaufentscheidung. Sie gehen fälschlicherweise davon aus, dass bereits vorher eine rechtlich relevante Bindung zwischen den Parteien entsteht. Dies stimmt allerdings nur in Ausnahmefällen. Insofern muss die Verkäuferseite bis dahin genau darauf achten, dass die von ihr weiter gegebenen Informationen inhaltlich nicht zu beanstanden sind. Demgegenüber muss ein Käufer bis zur notariellen Beurkundung des Kaufvertrages nur in seltenen Fällen damit rechnen, vom Verkäufer erfolgreich auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, selbst wenn er den Beurkundungstermin platzen lässt.

 

Wir helfen Ihnen gerne bei alle Ihren Fragen rund um den Erwerb von Immobilien.

 

Kai Riefenstahl

– Rechtsanwalt  –

Dortmund