„Hättest du geschwiegen…

und der notarielle Kaufvertrag“

 

I. Der Ausgangsfall

 

Die Käuferin hatte ein Gelände mit zwei Mehrfamilienhäusern im Oktober 2015 für 1.500.000 € erworben. Im notariellen Kaufvertrag war eine Sachmängelhaftung – wie vielfach beim Erwerb von gebrauchten Immobilien – ausgeschlossen.

 

Im Kaufvertragstext war auch angeführt, die Käuferin habe Kenntnis von der Entmietung der Immobilie vor circa 3 Jahren und dem Fehlen einer Heizung sowie der Tatsache, dass pro Gebäude nur 4 Wohneinheiten „genehmigungsfähig“ seien. Nach einer Besichtigung durch die Kaufinteressentin erklärte sie gegenüber dem Makler ihr Interesse am Erwerb. Er übersandte daraufhin das Projekt und eine sog. Visualisierung der ursprünglich von der Gesellschaft ins Auge gefassten Maßnahmen am Objekt. Dabei war der Interessentin bewusst, dass die im August 2012 auf 3 Jahre befristet erteilte Baugenehmigung zwischenzeitlich nicht mehr gültig war.

 

Später stritten die Parteien dann darüber, ob hier ein Mangel der Kaufsache vorlag, der Schadenersatz begründe.

 

II. Der Fall vor dem Bundesgerichtshof

 

Das Oberlandesgericht hatte hier zunächst zu Lasten der Käuferseite entschieden und dies damit begründet, dass die Käuferin zum Erwerb bereits ohne jene im Prospekt/Visualisierung zum Kauf entschlossen gewesen sei, so dass der Inhalt der Visualisierung nicht mehr ausschlaggebend gewesen sei.

 

Diese Visualisierung erweckte wohl mit den eingetragenen Ausbau- und Renovierungsmaßnahmen den Eindruck als sei all dies bereits ausgeführt.

 

Dabei stand rechtlich im Vordergrund, ob hier eine öffentliche Erklärung vorlag – durch die Illustration – mit der nach § 434 Absatz 1 Satz 3 Halbsatz 2 BGB die Kaufentscheidung beeinflusst wurde/werden konnte. Die genannte Norm lässt den Verkäufer für derartige Erklärungen haften:

 

Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

1.

wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst

2.

wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Zu der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2 gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers (§ 4 Abs. 1 und 2 des Produkthaftungsgesetzes) oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass der Verkäufer die Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder dass sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.

 

Die hier in Rede stehende Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist so wichtig für die Käufer von Immobilien/den notariellen Kaufvertrag, weil eben in der Immobilienbranche sehr häufig mit derartigen Exposés und Ähnlichem gearbeitet wird. Wer kennt nicht solche Publikationen, die auch eine gebrauchte Immobilie oder ein Baugebiet wunderschön zeichnen und gelegentlich auch mit Beschreibungen werben, die dann mit der Realität vor Augen nur noch wenig zu tun haben. Die jetzige Verfassung des § 434 BGB sollte gerade die Verbraucher vor Prospekten und Informationen oder auch Anpreisungen und mündlichen Versprechungen schützen, die eine Kaufstimmung beeinflussen und mit falschen Erklärungen zum Kauf „verführen“. Nach der Rechtsprechung ist es aber so, dass die unzutreffenden Angaben dann nicht mehr von Bedeutung sind, wenn der Käufer zum Erwerb – z.B. auch in Kenntnis der falschen Anpreisungen – („wild“, „in jedem Fall“) entschlossen ist.

 

Hier lag der „Knackpunkt“- des vorliegenden Falles. Das Oberlandesgericht hatte der Käuferin den Schadenersatz verweigert, weil sie bereits ihr Kaufinteresse oder sogar – bereitschaft dem Makler signalisiert hatte. Auffällig war aber der Umstand, dass der Makler sich trotz dieser Mittteilung dann dazu veranlasst sah, noch ein derartiges Exposé mit Visualisierung zu übermitteln. Dabei hat der Bundesgerichtshof klar gemacht, dass die Visualisierung, mittels derer die Bebauungsmöglichkeiten für ein gekauftes Grundstück durch die Bilder dargestellt werden, eine öffentliche Äußerung der Verkäuferseite darstellten. Aufgrund der Visualisierung konnte dann die Käuferin auch erwarten – so der BGH -, dass eine umfassende Instandsetzung und Nutzung der Mehrfamilienhäuser (teilweise) möglich oder erledigt wäre. Gerade die bildliche Darstellung habe den Eindruck hervorgerufen/hervorrufen müssen, dass eine umfassende Nutzung des Objektes/der Objekte möglich sei. Damit wurde auch das Problem der bereits abgelaufenen Baugenehmigung überdacht.

 

Das Oberlandesgericht hatte noch angenommen, es käme auf den Zeitpunkt zum Erwerbsentschluss für die Frage des Käuferschutzes an. So hat der BGH vielmehr den Käuferschutz erweitert: bei notariellen Beurkundungsgeschäften, so auch zwingend beim Immobilkauf, käme es für die Beurteilung der möglichen Beeinflussung durch eine derartige öffentliche Mitteilung auf den Abschluss des notariellen Grundstückskaufvertrages an . Hier sei zu bedenken, dass der Käufer bis zur notariellen Beurkundung beeinflusst werden könne, da er jederzeit auch – ohne finanziellen Nachteil – von dem Kaufvertrag ablassen könne.

 

Dazu steht die Rechtsprechung stets auf dem Standpunkt, dass eine Beendigung der Kaufvertragsverhandlungen oder des Kaufes keine finanziellen Forderungen grundsätzlich auslöst.

 

III. Fazit

 

Die Entscheidung des BGH ist richtig, da sie auch mit dem Sinn der notariellen Beurkundung derartiger Geschäfte im Einklang steht. Der notarielle Kaufvertrag und die Beratung des Notars vor und während der Beurkundung soll den Erwerber schützen und ihm damit auch die Möglichkeit geben, gegebenenfalls  kurzfristig vom Erwerbsgeschäft abzulassen. Dabei muss man im Übrigen auch bedenken, dass gerade ein derartiges Prospekt den Käufer noch mehr dazu veranlassen soll, dann auch wirklich den Vertrag zu unterzeichnen.

 

Wer seinen (notariellen) Kaufvertrag gut vorbereiten will, sollte sich mit dem Notar und der Gegenseite ins Benehmen setzen und dafür aber in jedem Falle Sorge tragen, dass alle Gesichtspunkte, die für die Kaufentscheidung wichtig sind, im Vertrag berücksichtigt werden. Sogleich sollte stets genau geklärt werden, z.B. welcher Zustand der Immobilie zugesichert wird und welche Erwartungen der Käufer zurecht noch an die Immobilie hegen kann. Dies kann z.B. dadurch geschehen, dass der Käufer in dem notariellen Kaufvertrag aufnehmen lässt, was die beidseits anerkannte Geschäftsgrundlage für den Kauf und welche Rechte daraus resultieren sollen.

Hier muss der Notar dann helfen dies rechtlich vernünftig umzusetzen.

 

BGH Urteil vom 16.07.2021 V ZR 119/20

 

P.S.:

Vgl. zum geplatzten Immobilienkauf: kein Schadenersatz vom Verkäufer BGH, Urteil vom 13.10.2017 Az V ZR 11/17; betrifft Kosten eines Käufers, die bei ihm „hängenblieben“, als der Verkäufer trotz getätigter, Kostenträchtiger Vorbereitungen dann doch nicht an den betreffenden verkaufen wollte. Insoweit geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass angesichts der notariellen Beurkundungsvoraussetzung durch ein Schadenersatz sonst ein Erwerbszwang oder Kaufzwang entstehen würde.

 

Fritz-Martin Przytulla LL.M.

– N o t a r –

Dortmund