Das OLG Hamm hat mit rechtskräftigen Beschluss vom 26.02.2015 (5 RVs 7/15) klargestellt, dass die grundgesetzlich garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit zwar grundsätzlich auch im Strafrecht einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund darstellen kann, dies jedoch nicht, wenn der Glaubens- und Gewissenskonflikt auch ohne strafbewehrte Handlung hätte gelöst werden können.

 

Das OLG Hamm hatte folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

 

Der dem muslimischen Glauben anhängende Angeklagte entdeckte bei einer Ausstellung in einer Universitätsbibliothek eine Collage, die aus mehreren Bildern und Texten eines Comic-Romans erstellt worden ist. Auf der Collage befand sich unter der Überschrift „Rutu Modan Exit Wounds“ der Schriftzug „Terror is usuall“. Auf einem weiteren Schild war der Schriftzug „Stop the occupation“ zu lesen. Dies vor einer Straßenszene, in deren Vordergrund eine Gruppe von Personen mit Schildern mit hebräischen Schriftzeichen stand. Der Angeklagte war der Auffassung, dass bei Veränderung nur eines Buchstabens eines dieser Schriftbilder der Text eine andere Bedeutung, nämlich „Nieder mit Allah“ erfahren würde. Hierdurch hat er sich in seinen religiösen Gefühlen verletzt gefühlt und verlangte eine Entfernung der Collage von dem Bibliotheksmitarbeiter. Eine Entfernung wurde von dem Bibliotheksmitarbeiter abgelehnt, welcher jedoch gleichzeitig anbot, die beanstandete Stelle mit einem Stück Papier zu überkleben. Hierauf ist der Angeklagte jedoch nicht eingegangen, sondern hat die von ihm beanstandete Stelle selber aus der Collage herausgeschnitten. Entsprechend wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Essen zu einer Geldstrafe wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung verurteilt, was durch das Landgericht Essen bestätigt worden ist.

 

Nunmehr hat der Angeklagte Revision gegen das Strafurteil vor dem OLG Hamm erhoben. Dieses hat die Revision als unbegründet verworfen. Zum einen bestätigt das Oberlandesgericht, dass die Beschädigung einer Collage aus einer Ausstellung eine gemeinschädliche Sachbeschädigung gem. § 304 StGB darstellt. Zwar könne sich grundsätzlich aus dem Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit ein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund ergeben. Das Gericht stellt jedoch klar, dass jemand, der aufgrund einer Glaubens- und Gewissenentscheidung in strafbewährter Weise handelt, keinesfalls straffrei bleiben kann, wenn er die Möglichkeit gehabt hat, seine Glaubens- und Gewissensfreiheit straffrei umzusetzen. Das ist vorliegend der Fall gewesen, da der Bibliotheksmitarbeiter ein Überkleben der beanstandeten Stelle angeboten hat.

 

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm stellt klar, dass sich nicht jeder auf seine Glaubens- und Gewissensfreiheit berufen kann, um strafbewährte Handlungen zu rechtfertigen. Vielmehr ist auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Auch wenn die grundgesetzlich garantierte Glaubens- und Gewissenfreiheit einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund darstellen kann, gilt dies nicht uneingeschränkt und nicht in jedem Fall.

 

 

Source: Archiv Przytulla