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Der Europäische Gerichtshof sorgt immer wieder für Bewegung auch im deutschen Arbeitsrecht. Jetzt hat er mit zwei Entscheidungen die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) zum deutschen Urlaubsrecht aufgrund einer EU-Richtlinie grundlegend geändert.

1.

Bisher galt nach der Auffassung des BAG, die es auch beibehält, dass man im Kalenderjahr zustehenden Urlaub nicht „vererben“ konnte.

Verstarb der Arbeitnehmer während des laufenden Kalenderjahres, endete damit auch die Möglichkeit, Urlaub zu erlangen, und auch die Erben konnten einen entsprechenden, folgenden Abgeltungsanspruch nicht gegen den Arbeitgeber geltend machen. Der verstorbene Arbeitnehmer könne den Urlaub nicht mehr „nehmen“, also könnten die Erben auch keine finanzielle Entschädigung verlangen.

Die Richtlinie 2003/88/EG sieht aber in Art. 7 vor, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub erhält.

Der EuGH sah die Situation nun aber grundlegend anders als das Bundesarbeitsgericht, und entschied, der von einem Arbeitnehmer erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub stelle einen vermögensrechtlichen Anspruch dar, welcher – selbstverständlich – vererbbar sei.

Soweit nationale Gerichte dieses nicht umsetzen würden, können die Erben sich dann auf die vorgenannte Richtlinie mit Art. 7 direkt berufen und geltend machen, dass sie entsprechend einen Zahlungsanspruch hätten (EuGH, Urteil vom 06.11.2018 – C-569/16 und C-570/16).

2.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat aber einen weiteren „Schlag“ zum deutschen Urlaubsrecht geführt:

In dem Ausgangsfall vor dem EuGH stritten die Parteien über den Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Der Urlaub war vom Arbeitnehmer nicht in Gänze vor Ende der Beschäftigung genommen worden. Das Bundesarbeitsgericht hat den Fall dem EuGH vorgelegt und angeführt, nach seiner Auffassung – und der bisherigen Rechtsprechung in Deutschland – seien die Urlaubsansprüche nach § 7 Abs. 3 BurlG verfallen, da der Urlaub nicht im Urlaubsjahr genommen worden sei, und die Übertragungsvoraussetzungen nach der vorgenannten Norm nicht vorlägen.

Nur nach den Besonderheiten des § 7 BurlG kann der Urlaub in das nächste Kalenderjahr und zwar auf das erste Vierteljahr übertragen werden; insbesondere wenn der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber nicht den entsprechenden Urlaub aus betrieblichen oder aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gewährt erhielt. .

Der EuGH stützt auch insoweit seine anderslautende Auffassung auf Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2013/88/EG (vgl. EuGH, Urteil vom 06.11.2018 – C-684/16)

Nach deutschem Recht war man der Auffassung, es sei Sache des Arbeitnehmers, sich darum zu kümmern, wann er „seinen“ Urlaub erhält.

Der EuGH verneint aber, dass ein automatischer Verlust des Anspruches auf bezahlten Urlaub eintreten kann, wenn keine vorherige Prüfung zur Inanspruchnahme des Urlaubes erfolgt. Insoweit sei es Aufgabe des Arbeitgebers, konkrete und gänzliche Transparenz zu schaffen, und zu fragen, ob und wann der Arbeitnehmer seinen bezahlten (Rest-) Jahreslaub nimmt oder nehmen kann, indem er ggf. ihn auffordert, dieses zu tun, und damit sichergestellt ist, dass der Urlaub noch rechtzeitig vor Ende des Urlaubsjahres genommen wird.

Hat der Arbeitnehmer aber den bezahlten Jahresurlaub aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen (! – darüber muss der Arbeitgeber ggf. belehren, und ihm den Verfall der Urlaubsansprüche vor Augen führen), gibt es keinen Anspruch auf entsprechende Urlaubsgewährung danach.

Die Konsequenzen dieses Urteiles bedürfen einer sorgfältigen, vielfältigen Prüfung:

Dabei stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer eine Abgeltung in Geld oder neuen Urlaub verlangen kann. Dieses dürfte wohl das Näherliegende sein, da auch der EuGH den Erholungswert des Urlaubes in den Vordergrund gerückt hat.

gez. Fritz-Martin Przytulla LL.M. (Berkeley, CA)

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht