In einem neuen Urteil hat sich das Bundesarbeitsgericht am 15. Mai 2013 (Az. 10 AZR 325/12) mit der über den Einzelfall weit hinausgehenden Fragestellung befasst, welche Arbeitszeit vom Arbeitnehmer geschuldet wird, wenn jemand z. B. als außertariflicher Beschäftigter angestellt ist und im Arbeitsvertrag lediglich erwähnt wird, der Arbeitnehmer habe „auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig [zu] werden“. Weitere Regelungen zur Arbeitszeit enthielt der Vertrag der Prozessparteien nicht.

 

Die betreffende Arbeitnehmerin hatte dann – im Verhältnis zu den betriebsüblichen Arbeitszeiten – im Herbst 2010 nahezu 700 Minusstunden angesammelt und die Arbeitgeberin verlangte von der Mitarbeiterin, dass sie zumindest die betriebsübliche Arbeitszeit leisten sollte. Die Arbeitgeberin kürzte die Gehälter dann, weil die Klägerin ihre Arbeitspflicht nicht vollständig erfüllte und nur noch teilweise arbeitete.

 

Die klagende Mitarbeiterin wandte im Prozessverfahren ein, sie sei ja gar nicht auf eine bestimmte Arbeitszeit pro Woche festgelegt und demgemäß auch nicht gehalten, bestimmte Arbeitszeiten, etwa die betriebsübliche Arbeitszeit, zu leisten. Es komme nur darauf an, ob sie die ihr von der Beklagten übertragenen Aufgaben erledige; deswegen müsse auch das Gehalt in vollem Umfang unabhängig von der tatsächlich erbrachten Arbeitszeit gezahlt werden.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat die entsprechende Klage der Beschäftigten abgewiesen. Der Arbeitsvertrag der Parteien setze als Maß der zu leistenden Arbeit die betriebsübliche Arbeitszeit voraus. Im vorliegenden Falle kann man wohl auch annehmen, dass das Bundesarbeitsgericht bei einer fehlenden Berücksichtigung der Arbeitszeit überhaupt im Vertrag die jeweilige, betriebsübliche Arbeitszeit als Grundlage annehmen wird. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, er habe keine festgelegte Arbeitszeit, muss dies schon ganz genau im Vertrag ausgedrückt sein.

 

Im Übrigen hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber bei Minusstunden, die vom Arbeitnehmer nicht aufgeholt werden, auch die Erlaubnis zugesprochen, die laufende Vergütung zu kürzen (aufzurechnen). Allerdings wird man erwarten müssen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zunächst dazu auffordert, auch wenn dann auf diese Weise zeitweilig eine höhere wöchentliche Arbeitszeit für den Beschäftigten anfällt.

 

In diesem Zusammenhang ist auch auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes aus dem Sommer 2011 zu verweisen, in dem es um die Frage ging, inwieweit ein Vergütungsanspruch für Mehrarbeitsstunden geht, d. h. die umgekehrte Situation zu dem soeben dargestellten Urteil des Bundesarbeitsgerichtes. In der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 17.08.2011 (Az. 5 AZR 406/10) ging es um Folgendes:

 

Der betreffende Kläger – ein angestellter Rechtsanwalt – machte gegen den Arbeitgeber Ansprüche wegen Mehrarbeit (Lohn/Gehalt) geltend. Das Bundesarbeitsgericht beschäftigte sich zunächst mit den Bedingungen des Arbeitsvertrages, die als Formularvertrag der sog. AGB-Kontrolle unterfiehlen. Dies ist in der heutigen rechtlichen Situation des Arbeitsvertrages eine ganz wichtige Frage, d. h. formularmäßige Arbeitsvertragsbestimmungen müssen sich an den Geboten der §§ 305 ff. BGB messen lassen. Insoweit war das Bundesarbeitsgericht der Auffassung, dass eine pauschale Abgeltung aller Mehrarbeitsstunden arbeitsvertraglich nicht zulässig ist. Dies sei für den Arbeitnehmer nicht klar und verständlich. Wenn man aufgrund dieser Situation dann keine positive oder negative Regelung zur Vergütung von Überstunden im Arbeitsvertrag hat, stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer gem. § 612 Abs. 1 BGB eine Zusatzvergütung für die Mehrarbeit verlangen kann. Das Bundesarbeitsgericht ging für Dienste höherer Art davon aus, dass nicht jede Mehrarbeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist. Vielmehr sei zu überprüfen, ob unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfanges und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander (im Betrieb) festzustellen sei, dass ggf. stillschweigend auch eine Zusatzvergütung und in welcher Höhe angenommen werden könne.

 

Auch wenn z. B. der Arbeitnehmer mit einer verstärkten Arbeitsleistung die Erwartung hege, er würde dadurch eine Beförderung erlangen, begründe dies noch keine Vergütungspflicht für den Arbeitgeber.

 

Empfehlung:

Die Leistung von Mehrarbeit sollten die Parteien eindeutig durch entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag abdecken oder aber – wenn sich Derartiges aufgrund der betrieblichen Umstände ergibt – ebenfalls mit einer schriftlichen Regelung klarstellen und dabei auch die Vergütung definieren.

Source: Archiv Przytulla